Schleichen ist tatsächlich verboten
Wenn vor uns ein Schleicher eine Schlange hinter sich herzieht, taucht die Frage auf: Darf der das? Tatsächlich ist zu langsames Fahren ohne zwingenden Grund verboten. Doch in der Praxis kommt es ganz auf den Einzelfall an.

Auf den ersten Blick scheint alles klar, was Schleicher betrifft. Die Verkehrsregelnverordnung (VRV) sagt explizit: Man darf «ohne zwingenden Grund nicht so langsam fahren», dass es einen «gleichmässigen Verkehrsfluss hindert». Das Limit soll im Idealfall also bitte einigermassen ausgeschöpft werden. Anderenfalls muss man anderen zumindest, so die VRV, «Überholen erleichtern», beispielsweise durch Fahren am rechten Rand oder Stopp auf einem Ausstellplatz.
Nun kommt das grosse Aber. Das Zauberwort lautet «zwingend». Denn das Tempo darf, soll und muss sogar, wenn die Umstände es erfordern, deutlich reduziert werden. Wetter, Strasse, Verkehr, Fahren nach Sicht – all diese und weitere Faktoren können «zwingende Gründe» sein und rechtfertigen dann das Langsamfahren. Bei einer Verzeigung würden sämtliche Faktoren vom Gericht mitberücksichtigt. Und natürlich wäre mitentscheidend, wie es um die Behinderung stand. Wurden zahlreiche Autos behindert, eins oder gar keins? Hätte man überholen können?
Anders gesagt: Wer auf einer kurvigen Bergstrasse einsam Tempo 60 fährt, wird kaum gebüsst werden. Wer dasselbe auf der langen Geraden tut und dabei eine Schlange hinter sich hat, könnte gebüsst werden. Wobei nicht zu vergessen ist: Langsamfahren ist «nur» Behinderung, aber Schnellfahren eben eine Gefährdung. Und Gefährdung wird vordringlich verfolgt (und härter bestraft). Das geht so weit, dass die Polizei bei einem Schleicher, der von einem Raser gefährlich überholt würde, zuvorderst den Raser verfolgen müsste – weil dessen Verstoss schwerer wiegt.
Gebüsst wird Schleichen selten, meistens liegt der Bussensatz bei 200 bis 300 Franken plus Gebühren. Ab und zu gibt es Fälle wie jenen Autofahrer, der am Julier 2022 unfassbare 170 Autos hinter sich herzog und alles in allem dafür 780 Franken bezahlte. Wichtig: Selbstjustiz oder Rache? Bloss nicht! Das wird sonst garantiert weit teurer, denn anderer Fehlverhalten ist nie eine Rechtfertigung für eigene Fehler. Dichtes Auffahren zum Beispiel ist gefährlich und absolut tabu.
Was AutoSprintCH sich wünscht: Langsamfahren an sich ist nicht das Problem. Nur bitte dann auch mal auf der nächsten dazu geeigneten Gerade nicht wieder selbst Gas geben, sondern kurz langsam bleiben, am Rand fahren und den rechten Blinker antippen – damit Schnellere vorbei können. Wir machen das zum Beispiel bei Ausflügen im Oldtimer so und würden das gerne viel häufiger mal sehen. Denn miteinander kommen wir im Verkehr alle deutlich entspannter an.