Formel E: Nico MĂŒllers Rituale vor dem Start đŸŽ„

HINTERGRUND Die vorletzte Station der Formel E in Rom bietet Fans ein Double-Header-Event am Samstag und Sonntag (15. und 16. Juli). ABT Cupra Pilot Nico MĂŒller beschreibt ganz persönlich, wie er sich vorbereitet.

Formel E Nico MĂŒller

In der italienischen Hauptstadt erwartet das ABT Cupra Formel E Team eine echte Hitzeschlacht und eine der anspruchsvollsten Strecken der Saison. ABT Cupra Pilot Nico MĂŒller gibt einen Einblick in die AblĂ€ufe eines Formel-E-Rennens und er verrĂ€t seine Rituale und Tricks, um voll konzentriert starten zu können.

RĂŒckblende ins GlĂŒcksgefĂŒhl

Halbfinale des Qualifyings in Berlin: Nico MĂŒller wird in die Box geschoben und sieht in die Gesichter seines Teams. „Die Luft hat geknistert. Man konnte das Funkeln in den Augen der Mechaniker und Ingenieure sehen – das war GlĂŒcksgefĂŒhl pur“, beschreibt der Schweizer Pilot des ABT CUPRA Teams die Szenen nach dem Erreichen des Qualifying-Finals beim Rennen in Berlin Ende April (siehe Galerie und Video). In Rom möchte das ABT Cupra Team an diesen Erfolg anschliessen. Was dafĂŒr nötig ist, wissen Nico MĂŒller und Teamkolllege Robin Frijns (Galerie Mitte) nur zu gut.

Alles beginnt im Simulator

Die Vorbereitung auf das Rennen in Rom begann fĂŒr Nico MĂŒller bereits kurz nach dem Ende des letzten Rennens in Portland (USA). „Die Analyse des letzten Rennens gehört schon zur Vorbereitung. Man nimmt die Lektionen mit, die man gelernt hat“, erklĂ€rt er. Vor dem tatsĂ€chlichen Rennwochenende geht es dann vor der Abreise zunĂ€chst in den Simulator. Ein erstes GefĂŒhl fĂŒr den realen Kurs bekommen die Piloten bei der Streckenbegehung.

Nico MĂŒller: „Da haben die Teams einen Slot, bei dem man die Strecke zu Fuss abgeht. In der Formel E gibt es keine permanenten Rennstrecken, deshalb ist die Begehung enorm wichtig. Man achtet auf jedes Detail: wo sich der Asphalt verĂ€ndert, oder wo vielleicht eine Bodenwelle ist, die man aus dem Cockpit nicht sieht.“

Vertrauen in das Fahrzeug

Ist die Strecke verinnerlicht, geht es um die optimale Abstimmung des Rennwagens. „Das Fahrzeug wird bis zum Rennen permanent abgestimmt und das Set-Up verfeinert, um es optimal auf die Streckenbedingungen und meinen Fahrstil anzupassen. Zusammen mit den gesammelten Daten ist mein Input dabei sehr wichtig, denn ich bin es, der das Fahrzeug am Limit bewegt und das Vertrauen ins Material haben muss. Ich bin da in enger Abstimmung mit den Renningenieuren und dem Performance-Ingenieur.“

Nico nennt diese einzelnen Schritte „Warm-Up“ fĂŒr das Rennen. Dazu gehört auch das Abschirmen von der Aussenwelt, um „in den Tunnel“ zu gelangen. „Man muss an einem Rennwochenende alles andere links liegen lassen. An einem Renntag ist kein Platz fĂŒr irgendetwas anderes. Man ist 100 Prozent bei sich, beim Team und beim Rennwagen und versucht, das Maximum aus dem Paket herauszuholen.“ Selbst den Kontakt zur Familie beschrĂ€nkt er auf ein Minimum. „Morgens frage ich kurz nach, ob zu Hause alles in Ordnung ist, dann erst nach dem Rennen wieder, aber dazwischen ist tatsĂ€chlich sehr wenig Zeit, um sich auszutauschen, weil man sich voll und ganz dem Renntag widmet.“

Letzte Rituale vor dem Start

Um auch körperlich voll einsatzfĂ€hig zu bleiben, ist die ErnĂ€hrung genau auf die Fahrer abgestimmt. „Die Essenspausen sind fest terminiert und das Essen wird dazu angeliefert. Es gibt immer das gleiche: Morgens ist es meist Brot, Ei und eine Banane. Mittags glutenfreier Reis, mit gekochtem GemĂŒse und HĂ€hnchen. Es soll genug Energie liefern, aber nicht schwer im Magen liegen“, erklĂ€rt Nico. Der 31-jĂ€hrige Schweizer trinkt zudem manchmal vor dem Rennen noch einen kleinen Wachmacher. „Ich bin ein grosser Kaffee-Fan. Wenn ich mich noch ein bisschen mehr pushen möchte, dann trinke ich noch einen Espresso. Das entscheide ich situativ.“

Wenn Strom unter Volllast fliesst

Nach den Briefings mit den Fahrern, Mechanikern und Ingenieuren werden die letzten Anpassungen am Set-Up des Rennwagens gemacht. Jetzt liegt es in den HĂ€nden der Piloten, die vorangegangene Teamarbeit zu veredeln und in die Punkte zu fahren. Ein kleines Ritual vor dem Einstieg ins Monocoque behĂ€lt Nico sich vor. Gut zehn Minuten, bevor es losgeht, stellt sich der Rennpilot vor sein Fahrzeug und beginnt mit einem körperlichen Warm-Up. „Ich habe zwei, drei Übungen zum AufwĂ€rmen. Dabei gehe ich immer denselben Bewegungsablauf durch. Das hilft mir, in den Tunnel zu kommen.“ Unmittelbar vor dem Rennen geht’s dann noch mal schnell um die Ecke.

Einen Talisman hat Nico MĂŒller immer dabei, wenn er sich auf ein Rennen wie in Rom vorbereitet. „Das Armband von meiner Familie gibt mir einfach ein gutes GefĂŒhl.“ Ebenfalls ein Ritual: Der Einstieg ins Monocoque des 475-PS-starken Gen3-Formel-E Rennwagens erfolgt immer von derselben Seite. „Es fĂŒhlt sich natĂŒrlicher an, mit dem rechten Fuss zuerst im Monocoque zu stehen.“

FingerspitzengefĂŒhl und kĂŒhler Kopf

WĂ€hrend des Rennens sind viel FingerspitzengefĂŒhl und ein kĂŒhler Kopf gefragt. „Du stehst voll unter Strom. Mental ist es extrem herausfordernd, so ein Rennen zu beherrschen. Du hast nicht immer das GefĂŒhl, in jeder Situation on top of the game zu sein. Manchmal musst du einfach Entscheidungen treffen und gucken, was dabei rauskommt. Es gibt so viele Faktoren, die ein Rennen mit beeinflussen“, beschreibt Nico die Situation wĂ€hrend des Rennes, die richtige Strategie zu wĂ€hlen.

Energie-Management ist wichtig

Dabei geht es nicht nur darum, möglichst schnell zu fahren. In der Formel E spielt auch das Energie-Management eine grosse Rolle. „Man kann nicht das gesamte Rennen mit Höchstgeschwindigkeit durchfahren, sonst geht dir irgendwann der Strom aus. Du musst Energie rekuperieren. Das bedeutet, dass man beispielsweise nicht mit Vollgas an den nĂ€chsten Bremspunkt heranfĂ€hrt, sondern ein sogenanntes Lift and Coast macht – also das Auto vor der nĂ€chsten Kurve ein StĂŒck weit rollen lĂ€sst. Sonst verbraucht man zu viel Energie. Dieses Management möglichst effizient zu betreiben, mit möglichst wenig Zeitverlust pro Runde – das braucht viel Brainpower.“

Kurs in Rom eine Herausforderung

Das gilt umso mehr fĂŒr das Rennen in Rom. Der Kurs in Italiens Hauptstadt gilt mit seinen schnellen Passagen, Höhenunterschieden und Überholmöglichkeiten als einer der anspruchsvollsten der Saison – nicht zuletzt wegen einer berĂŒhmt-berĂŒchtigten Sprungkuppe. Die Strecke fĂŒhrt mitten durch das Viertel der Weltausstellung (Esposizione Universale di Roma, kurz EUR genannt) und entlang des Kongresszentrums La Nuvola“. Ausserdem ergĂ€nzen weitere ikonische Bauwerke wie der Palazzo della CiviltĂ  Italiana die Kulisse.

„Herausforderung – dieses Wort beschreibt die Strecke in Rom am besten“, erklĂ€rt Nico MĂŒller. „Ich kenne den Kurs aus der Vergangenheit und finde ihn absolut spektakulĂ€r – eine echte Formel-E-Strecke. Das bedeutet aber auch, dass sie absolut keine Fehler verzeiht. Es geht darum, sich schnell einzuschiessen und absolut fehlerfrei zu bleiben.“

Teamchef fordert seine Piloten

Auch der ABT Cupra Teamchef freut sich auf den speziellen Kurs in Rom. „Mit Rom und London kommen zum Abschluss der Saison zwei klassische Stadtkurse, fĂŒr die die Formel E berĂŒhmt ist“, sagt Thomas Biermaier. „Wir haben zuletzt in allen Sessions gezeigt, dass wir den Anschluss ans Mittelfeld gefunden haben. Jetzt brauchen wir auch die nötige Konsequenz, um die Performance in sichtbare Ergebnisse zu verwandeln. Rom ist technisch anspruchsvoll, also eine sogenannte Fahrer-Strecke – also genau das Richtige fĂŒr Robin und Nico, die ihre Klasse schon oft gezeigt haben.“

Was vom Renntag ĂŒbrig blieb

Und wenn die Zielflagge geschwungen ist? Dann beginnen schon die Vorbereitungen auf die nĂ€chste Etappe. SpĂ€testens beim Debriefing nach dem Rennen heisst es nĂ€mlich wieder: Nach dem Rennen ist vor dem Rennen. Das Team versucht, möglichst viele Erkenntnisse fĂŒr das nĂ€chste Event mitzunehmen. Anschliessend lĂ€dt Nico MĂŒller bei der Zeit mit seiner Familie seine eigenen Batterien wieder auf. Die Energie braucht der Formel-E-Pilot fĂŒr das nĂ€chste Rennen, wenn die AblĂ€ufe ihn wieder in den Tunnel ziehen und er mit ganzem Herzen den Sport betreibt, den er liebt: Rennsport bei ABT Cupra. Zu 100 Prozent elektrisch und mit voller Brainpower.

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