Nik Heer: von Rapperswil nach Bonneville
An den letzten Bike Meetings sind seine Konstruktionen mal wieder allen davon gefahren: Nik Heer baut Motorräder, die die meisten Mitbewerber nur von hinten sehen. «Iron Lady» Katja Poensgen, erfolgreiche Deutsche Motorrad-Rennfahrerin, hat es da viel besser: Sie, die am Punk’s Peak Sprint Race dieses Jahr die erste weibliche Fahrerin überhaupt war, die je ein […]
«Iron Lady» Katja Poensgen, erfolgreiche Deutsche Motorrad-Rennfahrerin, hat es da viel besser: Sie, die am Punk’s Peak Sprint Race dieses Jahr die erste weibliche Fahrerin überhaupt war, die je ein Rennen gewann (und das, obwohl sie grad vier Monate vorher ihren Sohn zur Welt gebracht hat – oder gerade deswegen) und an der diesjährigen Essenza, dem Cafe Racer Festival 2017 in Paris zwei Läufe für sich entscheiden konnte, fuhr jeweils auf einer Indian, die Nik Heer und seine Mannen vom Young Gunds Speedshop in Rapperswil/Jona aufgebaut haben. «Im Moment gewinnen wir mit Werksaufträgen ziemlich viel» freut sich der 27-Jährige, wobei – oder auch vielleicht gerade deshalb, weil – sein Hauptaugenmerk momentan auf einem Geschwindigkeitsrekord der besonderen Art liegt.
Rekordversuch 2017
Nik Heer will mit einer Moto Guzzi den 63 Jahre alten Rekord knacken, der 1954 mit einer MG aufgestellt wurde. Dafür glühen seit Monaten in seiner Werkstatt, dem Youg Guns Speed Shop in Rapperswil/Jona die Schweissgeräte, Köpfe rauchen, es wird viel gerechnet, geschraubt und diskutiert. Es soll die schnellste Moto Guzzi der Geschichte werden, den Rahmen hat Nik mit seinem Geschäftspartner Fabian Witzig (kein Scherz, der Mann heisst so) gebaut, der Moto Guzzi Motor wurde mit Hilfe der besten Motorenspezialisten der Welt an der Universität in Stuttgart frisiert. Für Tech-Niks: 1200 Kubik, das Aggregat ist luftgekühlt, hat stösselgesteuerte Ventile und wird mit Lachgas betrieben. Eine konkurrenzlose Maschine. Ohne Verkleidung. Seit 63 Jahren ist der Speedrecord bei 284 Kilometern pro Stunde festgefahren. Nik und sein Team haben 309 ausgerechnet (bei 8200 Umdrehungen im 5. Gang). Das will am 12. August bei der diesjährigen Speedweek in Bonneville auf den Salt Flat gebracht werden. 300 km/h wären Spitze, Angst existiert im Wortschatz des Angefressenen, der Motorrad fährt, seit er acht Jahre alt ist, nicht. Was kann auch schon passieren auf so einem Salzsee, keine Barrieren, keine Bäume, kein Gegenverkehr. Ob Lebenspartnerin Claudia das auch so lässig sieht, entzieht sich unserer Kenntnis. Wir jedenfalls drücken Nik und dem ganzen Young Guns Team die Daumen, zu Fünft fliegen sie rüber, begleitet von einem Multimediateam, das den Rekord in Salz, sorry: Film und Foto meisseln will.
Junge Wilde
Wie trainiert man für so ein Jahrhundertereignis? Nik fährt Dirt Tracks, wo er regelmässig auf den Treppchen landet (zuletzt Zweiter mit einer Triumph Baujahr 1971 am Wheels and Waves in Biarritz dieses Jahr), und er fährt mit dem Rad zu Arbeit. Und natürlich mit dem Motorrad umher. Aber: Nik Heer ist der, der in Rappi mit einem „L“ auf dem Bike anzutreffen ist. Denn believe it or not: Der Held hat es noch nicht geschafft, den Führerschein für Zweiräder zu machen. Das Motorrad ist für ihn ein Sportgerät, fahren auf der Strasse hält er eigentlich für viel zu gefährlich.
Unter Freunden
Ohne Hilfe ist es fast unmöglich, so ein Projekt durchzuziehen. Nik hat jede Menge Fans, die an ihn glauben, darunter Benci Brothers, Racerfish, Mahrs Bräu, die Moto Guzzi Garage Modi in Zürich und Shoei Helmets. Und lauter private wilde Kerle, die schlicht und einfach Spass und Freude haben, Teil einer Legende zu sein. Wir bleiben dran, und werden nach dem Rekordversuch selbstverständlich berichten.