Ford Capri: Wieso dieser Name trotzdem passt

Nostalgiker müssen jetzt ganz stark sein: Doch, dieses Elektroauto heisst Capri. Aber so abwegig ist das nicht: SUV-Coupés sind halt die moderne Interpretation der Sportcoupés. Und dem Capri gelingt erneut, mit dem schönen Rücken Nachbarn neidisch zu machen.

 

Der Test-Capri rollt auf optionalen und schönen, aber bei langsamer Fahrt etwas ruppigen 21-Zoll-Rädern.

Suchen wir doch gleich mal: Wo steckt der alte im neuen Capri, wo die Referenzen von Ford an den legendären Urahn (1968 bis 1986)? Wir finden Doppelscheinwerfer mit dazwischen tief herab gezogener Haube und schwarzem Grill (der heute einfach eine schwarze Blende ist). Mit viel Phantasie eine ähnliche Rücklichtgrafik. Den Schwung der hinteren Fenster und Dachpartie.

Sakrileg? Nein. Denn der Name Capri taugt gar nicht zur Neuauflage als Retromobil: Kompakte Sportcoupés sind mega-out, dafür SUV mega-in. Und wieso den coolen Namen liegenlassen, wo doch das Sportcoupé von heute das SUV-Coupé ist? In der Tat gelingt dem schönen Rücken als Schokoladenseite auch heute, Nachbarn neidisch zu machen. Sachlich ist der Capri eine um 15 Zentimeter gestreckte Version des Ford Explorer und dito ein Technikbruder von VW ID.5 und Co.

Ein schöner Rücken kann entzücken: Der neue Capri erinnert optisch zwar nur entfernt an den Urahn, ist aber fraglos ein cool designtes SUV-Coupé geworden.

Nach dem Einstieg staunen wir, wie gross der 4,63 Meter lange Fünftürer durch seine 1,94 Meter Breite subjektiv wirkt. Dafür mangelt es nie an Platz. Allein im gigantischen Ablagefach in der Mittelkonsole könnten notfalls Kleinkinder mitfahren, und im Fond ist an Bein wie Kopf keinerlei Enge. Entspanntes Räkeln ist angesagt. Auch für Wertgegenstände: Das grosse Mitteldisplay lässt sich im Winkel verändern und gibt dann eine abschliessbare Ablage frei. Der Laderaum ist erweiter- und der Boden variierbar. Die 567 bis 1505 Liter Laderaum reichen für fast alle Fälle.

Beim Start in der City poltern uns ein paar Querfugen ins Bewusstsein, dass «unser» Capri auf optionalen 21- statt 20-Zoll-Rädern rollt. Aber macht nichts, denn schon ein paar km/h später findet er seine komfortbetonte Geschmeidigkeit wieder. Kurvenhatz meistert er tadellos, aber seine Natur ist schnelles Gleiten. Dies auch, weil er fast 2,2 Tonnen schwer ist und die Lenkung exakt, aber leichtgängig amtet. Ein typischer, doch sehr gelungener Mix für den Familienalltag.

Zur Wahl stehen Heckantrieb (125 KW/170 PS oder 210 kW/286 PS, Akku 52 oder 77 kWh gleich 393 oder 627 Kilometer WLTP-Normreichweit) oder die getestete Allradversion. Mit 250 kW/340 PS herrscht an Temperament kein Mangel (5,3 Sekunden auf 100, Spitze 180 km/h. Den «Power»-Modus kann man sich schenken, stets geht es rasant voran. Der 79-kWh-Akku reicht laut Norm bei 19 kWh/100 km für 560 Kilometer. Im frostreichen Wintertest illusorisch? Ja, aber trotzdem gut: Wir kommen im Test trotz steten Heizens auf 413 bis 479 Kilometer, das reicht für jeden Ausflug und für den Alltag sowieso. Geladen wird daheim mit 11 kW (10 auf 80 Prozent fünfeinhalb Stunden) oder am Schnelllader (DC) mit 185 kW (0 auf 80 Prozent in 26 Minuten).

Gemütlich und geräumig: Der Capri verblüfft mit viel Raum (auch im Fond).

Wie in allen Neuwagen nervt das vorgeschriebene EU-Gebimmel des Tempowarners, ist aber leicht deaktivierbar. Die übrige Assistenz werkelt im Verborgenen und meldet sich nur, wenn es knapp wird – gut so. Hervorragend: Wer beim Ausrollen vor dem Ortseingang auf die Elektronik vertraut, gewinnt maximal Strom zurück, weil das System exakt bis zur 50er-Tafel auf rund 50 km/h runter rekuperiert. Nicht so gut: Bei Tempolimiten verliest sich die Schildererkennung gerne mal. Wohltuend: Ford übernimmt zwar ein paar Details wie die Wippe zur Gangwahl, die Lenkradtasten oder den Lichtschalter von VW, nicht aber Verfehlungen des VW-Bediensystems. Ein Beispiel: Anders als bei VW gibt es keine unbeleuchteten Touchleisten für die Temperatur, und statt nur am Lichtschalter links vom Volant ist auch ein stets präsenter virtueller Schalter für die Heckscheibenheizung dort, wo wir sie intuitiv suchen: Unten im Monitor im Klimabedienfeld. Unsere Bitte an Ford: Bitte noch den Warnton der Hecklappe beim Schliessen leiser machen.

Bleibt die Kostenfrage: Der Capri ist ab 43’600 (Aktionspreis ab 41’420) Franken zu haben, die von uns gefahrene Variante mit 4×4 ab 56’850 (derzeit 54’007) Franken. Unser Testwagen in der «Premium»-Version kostet inklusive Optionen 62’872 Franken und lässt keine Luxuswünsche offen. Fair! Unsere Testbilanz: Der 15 Zentimeter längere und schickere Bruder des Explorer tritt markant auf, ist trotz VW-Antriebstechnik eigenständig und in Platz und Komfort stark. Nur ein karges Sportcoupé ist er nicht mehr. Und dürfte genau deshalb heute prima ankommen.

Das neigungsverstellbare Zentraldisplay verbirgt unterhalb ein abschliessbares «Geheimfach».
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