GIMS Katar: Oldies, Hypercars und eine Weltpremiere đ„
WO MAN SICH TRIFFT Automessen haben es in diesen Zeiten schwer â wenigstens in Europa, wo sich die Veranstaltungen gegen den automobilfeindlichen Zeitgeist verteidigen mĂŒssen, und daher zu MobilitĂ€tskongressen mutieren.
In der WĂŒste ist die Welt allerdings noch in Ordnung, und so ist die erste Ausgabe der âGeneva International Motorshow Qatarâ auch das, was Automobilmessen sein sollen: Eine Leistungsschau der Industrie. Die erste Messe in dem Emirat am Arabischen Golf ist ĂŒberschaubar und zeigt dennoch einen Trend: Von den 30 Herstellern stammen fĂŒnf aus China, die hier die grössten FlĂ€chen belegen. Elektromodelle stehen zwar auf allen StĂ€nden, doch tatsĂ€chlich dominiert die traditionelle Verbrenner-Technik die Messe. Schliesslich ist die Ladeinfrastruktur in der Region noch lĂ€ngst nicht so weit, dass E-Mobile eine bedeutende Rolle spielen können.
Von Schnellader keine Spur
Das musste auch Frank M. Rinderknecht (Galerie Mitte) erfahren, der mit seinem Team und zwei vollelektrischen Volkswagen ID.Buzz von Genf nach Doha, der Hauptstadt von Katar, gefahren ist, um die beiden MessestÀdte symbolisch miteinander zu verbinden.
Frank M. Rinderknecht: «Vor der Tour hat man uns erzÀhlt, dass in Saudi-Arabien 350 Schnelllader stehen. Wir haben keinen einzigen gefunden, doch dank unseres Àgyptischen Fixers haben wir uns durchgekÀmpft und waren am Ende die Ersten, die das Königreich mit einem E-Mobil durchquert haben. Die Fahrt dauerte 34 Tage und hat viel Spass gemacht, auch wenn sie durchaus anstrengend war.»
Steigerung der ElektromobilitÀt
Sandro Mesquita, Chef des traditionellen Auto-Salons Genf, der im kommenden Jahr wieder stattfinden soll, hatte Rinderknecht ein Projekt vorgeschlagen, um eine Art Staffellauf zwischen Genf und Doha zu veranstalten: «FĂŒr uns kam fĂŒr die Tour dâExcellence dann nur eine Fahrt mit einem elektrischen Fahrzeug in Frage.»
Rinderknecht war etwas zu frĂŒh unterwegs, denn bis zum Jahr 2030 plant die Regierung von Katar, die ElektromobilitĂ€t zu steigern und gleichzeitig die Ladeinfrastruktur auszubauen.
Wohlhabende Zielgruppe
Als Zielgruppe fĂŒr ihre Messe haben die katarischen Veranstalter vor allem eine wohlhabende bis superreiche Zielgruppe ausgemacht. SchlieĂlich ist die Region der weltweit am schnellsten wachsende Markt fĂŒr Luxusautomobile und hat dabei die traditionellen MĂ€rkte in den USA, Europa und Asien ĂŒberholt. Das erklĂ€rt auch den etwas vollmundigen Anspruch, âein Festival der der automobilen Exzellenzâ zu veranstalten.
Wiederbelebung von Delage
Diese BĂŒhne nutzt daher folgerichtig Laurent Tapie, der die französische Luxusmarke Delage wiederbelebt hat, und seinen D12 zum ersten Mal ausserhalb Europas zeigt (Galerie rechts).
Laurent Tapie, Sohn der französischen Unternehmer-Legende Bernard Tapie: «Ich hatte im Jahr 2018 meine Unternehmen verkauft, lebte in Miami und irgendwann habe ich mich gelangweil. Nach einer Marktanalyse beschloss ich, einen Hypercar fĂŒr die superreiche Kundschaft zu entwickeln. Autos haben mich schon immer fasziniert, ich wollte aber keine neue Marke grĂŒnden, sondern einen traditionsreichen Namen nutzen, und nachdem Bugatti vergeben war, kam Delage ins Visier.»
Delage und Bugatti waren bis Anfang der 1950er Jahre die grössten französischen Luxusmarken, die sowohl im Motorsport wie auch bei vielen Concours dâElĂ©gances dominierten.
Hypersportwagen fĂŒr die Strasse
Die Rechte am Namen Delage befanden sich damals im Besitz eines Fanclubs der Marke, den Tapie davon ĂŒberzeugen konnte, den Namen zu nutzen. Das Ergebnis von fĂŒnf Jahren Entwicklung ist ein Hypersportwagen mit Strassenzulassung, dessen Zwölfzylinder zusammen mit einem kleinen E-Motor 1000 PS leistet und ohne Extras fĂŒr zwei Millionen angeboten wird. Von den 30 geplanten Exemplaren, die am Rande der Rennstrecke von Magny Cours entstehen, sind die ersten bereits verkauft. Ein zweites Modell ist bereits in Planung.
Weltpremiere aus Afghanistan.
Die europĂ€ischen Hersteller sind auf der Messe in Doha meistens durch ihre katarischen Partner vertreten, sodass so gut wie keine internationalen Neuheiten prĂ€sentiert werden. Porsche zeigt den Mission X, bei Toyota steht der neue Landcruiser und Chery prĂ€sentiert seine verschiedenen Marken auf grosszĂŒgig dimensionierten FlĂ€chen, und Lynck & Co prĂ€sentiert die Limousine 03, der allerdings nicht nach Europa kommen soll.
Und so kommt die einzige wirkliche Weltpremiere aus â Afghanistan.
Nun mag sich der Beobachter aus Europa fragen, ob das geschundene Land am Hindukusch unbedingt einen Supersportwagen Ă la Batmobil braucht, doch der Chef von Entop, Mohammed Reza Ahmadi, hat seinen eigenen Blick auf den Simurgh (Galerie links), der dank einer Crowdfunding-Aktion fertig gestellt wurde. Die Entstehungsgeschichte des Sportwagens ist ziemlich abenteuerlich.
Motor aus dem Toyota Corolla
Mohammed Reza Ahmadi: «Das Material sicherten wir uns aus dem militĂ€rischen Schrott, von dem es in Afghanistan sehr viel gibt. FĂŒr das Design haben wir You Tube genutzt, um die Form zu entwickeln.»
Insgesamt waren 30 MĂ€nner an dem Projekt beteiligt. Angetrieben wird der Simurgh von einem Zweiliter-Vierzylinder aus dem Toyota Corolla. Die genauen Leistungsdaten des Zweisitzers, der in Kabul entstand, schweigen sich die Verantwortlichen aus.
Ein Partner in Deutschland mit 30jĂ€hriger Motorsport-Erfahrung â den Namen behĂ€lt Ahmadi fĂŒr sich – soll nun den afghanischen Sportwagen fĂŒr die Homologation aufbereiten. Schliesslich will Entop bei den 24 Stunden von Le Mans starten. Die Garage 56 ist reserviert.
AusgewÀhlte kostbare Modelle
Neben den aktuellen Modellen nimmt in Katar der Blick in die Automobilgeschichte einen grossen Raum ein. Als Ausblick auf das neue Automobilmuseum, das im kommenden Jahr an den Start geht, zeigen Messe-Organisatoren eine Auswahl von ausgewĂ€hlten automobilen Kostbarkeiten. Und möglicherweise steht demnĂ€chst auch am Arabischen Golf ein Concours dâElĂ©gance nach dem Vorbild der Veranstaltung von Como auf dem Programm.
Sandro Mesquita: «Die Veranstaltung bietet einen guten Mix an Marken, Hypercars, Supercars und normalen Fahrzeugen. Mit dem ersten Auftritt der Messe sind wir sehr zufrieden.»