Schweiz: Weg frei für einen Circuit

PARLAMENT KIPPT VERBOT Nach 65 Jahren wird das Rundstreckenverbot in der Schweiz aufgehoben. Was dies dem Motorsport bringt, ist eine andere Frage. Möglich wäre nun eine multifunktionale Rennstrecke.

Nach 1955 hatte nur die Formel E das Privileg, international bei einem Rundstreckenrennen in der Schweiz auftreten zu dürfen. Das Publikumsinteresse war enorm (Fotos: Peter Wyss).

Nach dem Nationalrat im Frühjahr hat am 31. Mai auch der Ständerat den Antrag der Verkehrskommission gutgeheissen und der Aufhebung des Verbots von Veranstaltungen öffentlicher Rundstreckenrennen mit Motorfahrzeugen in der Schweiz zugestimmt.

Ein alter Zopf mit Ausnahmen
Das Rundstreckenverbot trat 1957 als Folge des schweren Unfalls von Le Mans 1955 in Kraft. Einzige Ausnahme bildeten Kartrennen, Clubrennen in Lignières, Auto- und Motocross. Ebenso waren Bergrennen, Rallyes und Slaloms ungeachtet ihrer Gefährlichkeit weiterhin mit jeweils kantonaler Bewilligung erlaubt.

Das Verbot konnte seither in mehreren Anläufen nicht gekippt werden, obwohl sich die Sicherheitsmassnahmen im Motorsport und die Technologien der Fahrzeuge in den vergangenen Jahrzehnten extrem verbessert haben.

Mit dem Aufkommen der Formel E, die 2018 (Zürich) und 2019 (Bern) in der Schweiz Station machte, schuf der Bundesrat provisorisch die Möglichkeit, Rundstreckenrennen mit Elektrofahrzeugen durchzuführen. Damit diese Lösung weitergeführt werden kann, braucht es die vom Bundesrat vorgeschlagene Gesetzesanpassung.

Nicht mehr zeitgemässe Zweiteilung des Bewilligungsregimes
Rundstreckenrennen mit Motorfahrzeugen werden fortan demselben Bewilligungsregime unterstellt wie alle anderen motor- und radsportlichen Veranstaltungen auf öffentlichen Strassen.

Allerdings muss nun bei künftigen kantonalen Bewilligungen solcher Veranstaltungen den Erfordernissen an die Verkehrssicherheit und Verkehrserziehung sowie neu auch dem Umweltschutz Rechnung zu tragen. Die Kommissionsmehrheit traut den Kantonen einen sachgerechten Umgang mit solchen Bewilligungen zu.

Nationalrat und Unternehmer Christian Wasserfallen umgibt sich gern im Kreis von Motorsportlern wie Kantonskollege Nico Müller.

Referendum möglich trotz Parlamentsentscheidung
Den Antrag zur Änderung des Artikels 52 im Strassenverkehrsgesetz verfasste und stellte FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen. Der bekennende Motorsportfan wollte die Sammel-Revision des SVG nutzen, um das Verbot zu kippen. Sein NR-Kollege Walter Wobmann (SVP) machte sich hierfür bei den Verbänden stark.

Christian Wasserfallen: «Ein kleiner und schöner Erfolg, dass in der Schweiz einmal ein unnötiges Verbot gestrichen wurde. Ich bin erleichtert.»

Im Differenzbereinigungsverfahren zwischen Nationalrat und Ständerat sei dieser Punkt nun bereinigt, das Verbot also gestrichen. Allerdings sei es möglich, dass es aus Kreisen von Road Cross oder nahestehenden Verbänden ein Referendum gegen das Gesetz geben könnte.

Christian Wasserfallen: «Dies aber nicht wegen der Rundstreckenrennen, sondern wegen der lockereren Bestimmungen bei Raserdelikten.»

Es müssen nicht mehr zwingend Elektrorennen sein, für die Bewilligungen ersucht werden können.

Formel 1 und Formel E unwahrscheinlich
Natürlich sind sich die Motorsport affinen Ratsmitglieder bewusst, dass dies nun nicht die Rückkehr der Formel 1 in der Schweiz bedeutet. Schon aus Kostengründen ist dies unrealistisch.

Nach dem finanziellen Debakel ist auch die Formel E kaum mehr ein Thema. Kein Schweizer Stadt- und Kantonsparlament oder Organisator würde dieses Risiko eingehen. Es sei denn, ein mutiges privates Unternehmen übernähme die Risikogarantie.

Denkbar wären kleinere Rundstreckenrennen auf nationaler oder internationaler Ebene, etwa mit Markenpokalen, Tourenwagen und GT-Autos, welche ebenfalls zu elektrischen Klassen tendieren oder solche Serien schon haben bzw. planen. Sprich DTM Electric, GT Electric, FIA ETCR, usw.

Weg frei für eine multinationale Rennstrecke
Weil nun mit der Aufhebung des Rundstreckenverbots eine wichtige Hürde gefallen ist, könnte es durchaus Bemühungen geben, Investoren für das Projekt eines Schweizer Motodroms ohne höchsten FIA-Standart (etwa für F1 und WEC) aufzufinden.

Dies wäre auch ein Anliegen und die Hoffnungen der erfolgreichen Initianten.

Christian Wasserfallen: «Gerade alte Militärareale und Grundstücke in dezentralen Regionen würden sich dafür eignen. Dabei sollte es darum gehen, eine bescheidene und nette Rennstrecke bauen zu können, die multifunktional verwendet werden kann – für Trainings, Fahrsicherheitskurse, Fahrzeugtests, Rennen, Events, Präsentationen und so weiter. Dies müsste dazu beitragen, ein stimmiges Gesamtkonzept auf die Beine zu stellen.»

Dann würde auch viel Cash in der Schweiz bleiben, der seit Jahrzehnten für solche Anlässe im Ausland ausgegeben wird. Die Wirtschaft und auch das Klima – weniger weite Reisen – hätten dann auch etwas davon.

Der kleine TCS-Circuit in Lignières dient als Beispiel, wie eine grösser dimensionierte Anlage in der Schweiz vielseitig verwendet werden könnte.

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