St-Ursanne: Unglaubliche Temporekorde 🎥
SCHNELLER ALS JE ZUVOR St-Ursanne – Les Rangiers 2019 war das absolute Rekord-Bergrennen. So schnell wie Simone Faggioli war anderswo in Europa noch kein Fahrer. Marcel Steiner, dessen Fahrt wir exklusiv im Onboardvideo zeigen, erzielte Schweizer Rekord. Am Beispiel der Passage von Les Grippons, einer mit über 250 km/h angefahrenen Linkskurve unter der Autobahn, wird […]
Am Beispiel der Passage von Les Grippons, einer mit über 250 km/h angefahrenen Linkskurve unter der Autobahn, wird das enorme Tempo ersichtlich. Dieser erste Rennlauf von Simone Faggioli am Sonntagmorgen geht in die Geschichte der Berg-Europameisterschaft ein. 1’39,306 für 5180 Meter ergibt einen Schnitt von 187,78 km/h.
Ausser beim 17,3 Kilometer langen Bergrennen Trento-Bondone kommt jedoch immer die Addition von zwei Laufzeiten in die Wertung. Da der x-fache Europa- und Landesmeister den zweiten Schuss in wiederum beeindruckenden 1’39,799 ins Ziel brachte, liegt die durchschnittliche Geschwindigkeit bei unfassbaren 187,32 km/h.
Unter 100 und 200 Sekunden
Zwar gibt es Bergrennen mit höheren Topspeeds in gewissen Passagen, aber keines in Europa mit einem solch horrenden Durchschnitt – und dies, notabene, mit gut 500 Metern Dorfdurchfahrt nach dem Start und drei Haarnadeln im letzten Sektor. Faggioli benötigte übrigens weniger als 100 Sekunden für einen und weniger als 200 Sekunden für zwei Läufe. Mit 3’19,105 war er mehr als vier Sekunden schneller als beim bisherigen Rekord-Tagessieg 2017!
Europäischer oder sogar Weltrekord?
Laut unseren Recherchen wies noch kein anderer Lauf zur Berg-EM oder zum FIA-Berg-Cup je so hohe Schnitte auf. Nur in Dobsinsky Kopec, dem achten EM-Lauf vom 21. Juli in Slowakien, war Faggioli bei seiner Rekordfahrt mit 182,30 km/h annähernd so schnell.
Beim Bergrennen Esthofen–St. Agatha in Österreich siegte Christian Merli am 24. September 2017 mit einem Schnitt von 185,37 km/h. Den zweiten Rennlauf legte der Südtiroler mit seinem Osella FA30 damals mit 185,42 km/h Schnitt zurück – das war der bisherige Temporekord in Europa.
Bevor ihn Faggioli am vergangenen Sonntag entthronte, war Merli beim Schweizer EM-Lauf mit 1’41,530 seit August 2017 der Rekordhalter und mit 183,67 km/h Schnitt etwas weniger schnell als einen Monat später in St. Agatha. Die österreichische Strecke misst 3200 Meter und weist keine engen Kurven auf. In den weiteren europäischen Ländern mit Bergrennkultur wird nur in Frankeich (180,89 km/h in La Pommeraye) ähnlich schnell gefahren.
Steiner erzielt einen Schweizer Rekord
Setzte der nun neunfache Tagessieger Faggioli im Jura also vermutlich einen Weltrekord, so war mit Marcel Steiner noch kein Schweizer irgendwo so flott unterwegs. Der Berner unterbot seine bisherige Bestzeit mit 1’44,561 mit demselben Auto (LobArt-Mugen LA01) um gute drei Sekunden. Auf der 11 Meter kürzeren Strecke war Joël Volluz 2013 auf einem Osella FA30 in 1’45,26 und 176,78 km/h Schnitt der bisher schnellste Schweizer.
In Esthofen erzielte Steiner 2017 mit 177,105 km/h seine bisher höchste Durchschnittsgeschwindigkeit, die er mit seiner Schweizer Rekordfahrt beim diesjährigen Heimrennen auf 178,345 km/h hochgeschraubt hat. Wie sie aus der Sicht des Fahrers aussah, zeigt das von ihm zur Verfügung gestellte Onboardvideo:
Nicht gefährlicher als anderswo
Wie das Video zeigt, nimmt Steiner „Les Grippons“ im Gegensatz zu den beiden italienischen Profis im 6. Gang nicht mit Vollgas. Er weiss, dass dies ginge, zieht aber einen „Beruhigungslupfer“ vor. Auch sieht man, wie im Rennbericht vom Sonntag berichtet, dass er in beiden Läufen am Start nicht besonders gut weg kam.
Trotz der horrenden Tempi findet der fünffache Meister das Schweizer Rekordrennen überhaupt nicht gefährlicher als andere Bergrennen.
Marcel Steiner: «Wenn sich das Auto gut anfühlt, kann man so fahren. Wenn man mit dem Handling kämpfen muss, nimmt man mehr Risiko auf sich und ist dabei oft langsamer. Um das umzusetzen, braucht es auch eine so gute Strecke, wie dies nun seit der Neuasphaltierung in Les Rangiers der Fall ist.»
Jetzt ist der Unfall von 2013 Vergangenheit
Dass ihm dies mit einer angestrebten 1’44er-Zeit gelungen ist, ist für Steiner auch mit einer enormen Erleichterung verbunden. Denn auf den Tag genau vor sechs Jahren überstand er seinen bisher schwersten Unfall (Überschlag mit dem Osella im schnellen Mittelteil) unversehrt. Im Kopf blieb er aber bis dato.
Marcel Steiner: «Die ganze Woche vor dem Rennen dachte ich daran. Denn der LobArt lief dort 2017 und 2018 nie wirklich gut. Daher fragte ich mich, was wohl nun herauskommt. Als das Auto schon im ersten Training so gut lief, schlug die Stimmung um. Daher war ich mit dem dritten Gesamtrang hinter Simone und Christian zufriedener als in den Jahren zuvor.»