Zürich E-Prix: Volksfest ohne Schweizer Erfolg
AUDI-SIEG Das erste Schweizer Formel-E-Rennen stiess in Zürich auf riesiges Interesse der Zuschauer. Leider sahen sie keinen Schweizer auf dem Podium. Der Sieg ging an den Brasilianer Lucas di Grassi im Audi. Die Premiere der Formel E auf Schweizer Boden gestaltete sich zu einem bisher einzigartigen Anlass. Nach aussen war es beste Werbung für jenen […]
Die Premiere der Formel E auf Schweizer Boden gestaltete sich zu einem bisher einzigartigen Anlass. Nach aussen war es beste Werbung für jenen Motorsport, der heutzutage mehr ein urbanes und junges Publikum als echte Racing Fans anspricht.
Eines der schönsten Rennen überhaupt
Der elektrische Funken sprang nicht nur auf die Zuschauer über, welche diese Sportart und das ganze Drumherum erlebten und mitlebten. Laut Schätzungen sollen es gegen 150000 gewesen sein.
Auch die ausländischen Gäste, sprich Teams, Fahrer und Medienvertreter aus aller Welt, bezeichneten das Schweizer Rennen als eines der besten und schönsten überhaupt, seit es die FIA Formel E gibt. Zur mediterranen Ambiance trug nicht nur der an die Strecke grenzende See bei, sondern auch das hochsommerliche Wetter.
Mit 123,3 km/h legal durch Zürich
Die Stimmung mochte auch der Misserfolg der vier Fahrer mit Schweizer Bezug nicht zu trüben. Natürlich drückten viele Sébastien Buemi die Daumen. Doch der Rekordsieger in der Formel E kam am Sonntag nie in unmittelbare Schlagdistanz, um ein Wort um den Sieg mitreden zu können.
In den beiden freien Trainings vom Vormittag belegte er jeweils den neunten Rang unter den 20 Konkurrenten. Fürs Qualifying zog er einen Startplatz in der ersten Gruppe, die vom Gripniveau der Strecke her den weiteren drei Gruppen leicht unterlegen war.
Nebst einem kleinen Fehler erklärt dies seine nur siebtbeste Rundenzeit. Lucas di Grassi verpasste das Super-Pole-Qualifying der besten fünf als Sechster ebenfalls nur knapp. Im ersten Training drehte der Titelverteidiger auf dem 2,465 km Kurs zudem die schnellste Runde des Tages: in 1’11,995, Schnitt 123,3 km/h – so schnell war legal noch kein Autofahrer in der Stadt Zürich…
Auch im Rennen über 39 Runden, das wegen des Tennisfinals in Paris erst kurz nach 18 Uhr startete, war der Brasilianer mit dem Audi e-tron FE04 vom Team Audi Sport Abt Schaeffler der schnellste Mann.
Di Grassi machte in der ersten Rennhälfte drei Plätze gut und kam wie das ganze Feld während der einzigen Safety-Car-Phase als Zweiter zum Fahrzeugwechsel an die Boxen. Danach lag er vorne und blieb dies bis ins Ziel.
Flut von Strafen
Stichwort Boxen: Kopfsteinpflaster in der Boxengasse – auch das war ein Novum. Was die FIA dazu bewog, das Limit von 50 auf 30 km/h zu senken. Nicht nur dieses langsame Tempo wurde einigen Fahrern zum Verhängnis, auch jenes während der Gelbphase.
Mitch Evans, der seinen Jaguar I-Pace 2 erstmals auf die Pole-Position gestellt hatte, büsste während des Fahrzeugwechsels nicht nur die Spitze ein, sondern fiel danach wegen einer Boxendurchfahrtsstrafe zurück. Ebenso entging deswegen André Lotterer, der dem Neuseeländer lange Zeit gefolgt war, ein Podestplatz.
Und schliesslich erwischte es auch Sébastien Buemi, der mit dem Renault Z.E. 17 einen Moment lang an dritter Stelle herumkurvte. So kam er nur als Fünfter ins Ziel und war entsprechend enttäuscht.
Sébastien Buemi: „Ich hatte sicher ein Auto, um damit aufs Podest zu fahren. Leider habe ich den Knopf für die volle Power nach einer Gelbphase eine Sekunde zu früh gedrückt. Schade, denn ich hatte mir für mein erstes Heimrennen viel vorgenommen. Ich hoffe, dass wir in einem Jahr wie im Kalender vorgesehen hierher zurückkommen.»
Kein Glück für Nicolas Prost mit dem Schweizer Helm
Als zweites Heimspiel betrachtete Nicolas Prost den Zürich E-Prix. Seit er einjährig ist, lebt der geborene Franzose in der Romandie (heute in Féchy) und hat neben dem französischen auch den Schweizer Pass.
Aus diesem Anlass trat der Sohn des vierfachen Weltmeisters Alain Prost mit einem Schweizerkreuz auf dem Helm an. Glück brachte es ihm nicht, mit plötzlichen Batterieausfall bremste sich Nico in der Haarnadelkurve in den Notausgang und schied aus.
Punkte für den Wahl-Zürcher Heidfeld, Ausfall von Mortara
Ein veritables Heimrennen war es für den geborenen Deutschen Nick Heidfeld, der mit seinem MV Agusta Naked Bike in rund 20 Minuten von Stäfa, wo er seit 17 Jahren wohnt, an die Rennstrecke fuhr.
Von Platz 12 mit dem Mahindra gestartet, wurde der dreifache Familienvater (alle Kinder sind in Wetzikon geboren) nach einer fehlerfreien Fahrt durch Ausfälle und Rückfälle von Kollegen an die sechste Position vorgespült.
Schon nach sechs Runden schied der Genfer Edoardo Mortara infolge eines Aufhängungsbruchs an seinem Venturi aus.
Auf Fangio folgt Di Grassi
Und so stand 63 Jahre, neun Monate und 20 Tage nach dem Argentinier Juan Manuel Fangio, der am 22. August 1954 den letzten Grossen Preis der Schweiz in Bern auf einem Mercedes-Silberpfeil gewonnen hatte, mit dem Brasilianer Lucas di Grassi auf einem Audi e-tron FE04 wieder ein Südamerikaner ganz oben auf dem Podest.
Zwar war es nur ein E-Prix mit surrenden und reifenquietschenden Rennwagen, doch werden die Kämpfe damit so hart wie in jeder anderen hochstehenden und lauten Meisterschaft geführt.
Nach solch einer Veranstaltung sollte es keine Zweifler mehr an der Berechtigung der Formel E mehr geben – zumindest nicht aus Motorsportkreisen.